Der Wandel in deutschen Unternehmen ist jeden Tag zu spüren. Die Veränderungen in den Büros sowie Fabrikhallen sind in den letzten Jahren deutlich schneller und stärker zu spüren gewesen, als es zu erwarten war. Kein Wunder, dass erfolgreiches Change Management in der Zwischenzeit einen enorm hohen Stellenwert hat.
Es gibt deshalb viele Konzepte, Strategien und Modelle zum Thema Change Management. Und immer mehr sprießen aus dem Boden. Leider ist vieles dabei so undurchdacht, dass man das Gefühl nicht los wird, hier ist mehr Marketingglitzer im Einsatz als solides Handwerk. Bevor man sich mit dem Glitzer beschäftigt, ist es sicher sinnvoll, die harten Zahlen, Daten und Fakten anzuschauen, die uns den Erfolg oder Misserfolg von Change Maßnahmen zeigen. Genau darum geht es in diesem Kapitel. Sie finden die relevantesten Ergebnisse aktueller Studien auf einen Blick. Ungeschönt und ohne Glitzerstaub.
Wir beleuchten dabei folgende drei Fragen: (1.) Warum verändern sich Unternehmen? (2.) Wie erfolgreich sind Change-Maßnahmen? (3.) Wann sind Change-Maßnahmen erfolgreich?
WARUM VERÄNDERN SICH UNTERNEHMEN?
Veränderungen gehören zum Leben dazu. Sie sind unvermeidlich und deshalb schon immer ein wichtiges Forschungsthema. Schon in der griechischen Antike beschäftigten sich die großen Philosophen mit dieser Thematik. Erste Forschungen zu Change Management in Unternehmen wurden in den 1930er Jahren betrieben.
In unserer heutigen schnelllebigen Welt sind Veränderungen zu unser aller Tagesgeschäft geworden. Ohne Wandel kann kein Unternehmen mehr überleben.
Die Studie von Staufen zeigt außerdem: Die Dynamik steigt weiter an.
Mehr als drei von vier der befragten Unternehmen haben sich seit 2019 noch einmal stark oder sehr stark verändert. Unternehmen müssen mit immer mehr und immer stärkeren Veränderungen rechnen.
Unternehmen müssen auf zahlreiche externe Auslöser reagieren. Megatrends sind dabei die Haupttreiber unserer Zeit. Ein Blick auf die Studie von Staufen aus dem Jahr 2019 zeigt: Der weitaus größte Treiber für alle Branchen ist der digitale Wandel.
Digitalisierung ist dabei weit mehr als die Umwandlung von analoger Daten in digitale. Neben der Einführung von neuen Softwaren kann auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Produkte oder Dienstleistungen zu einem Change führen. Auch der Megatrend der Individualisierung dringt in die unterschiedlichsten Geschäftsbereiche der Unternehmen weiter vor.
Außerdem interessant ist: Diese Studie wurde 2017 zum ersten Mal durchgeführt. Damals wurden die Befragten gebeten, das Ausmaß des kommenden Wandels abzuschätzen. In der Studie von 2019 mussten sich eben jene Befragten dann eingestehen, das Ausmaß deutlich unterschätzt zu haben.
Als zusätzliche Herausforderung kommt nämlich hinzu: Auslöser treten oft gleichzeitig auf und bedingen sich untereinander.
Auch die Studie von Porsche aus dem Jahr 2020 beschäftigt sich mit der Frage nach den Ursachen für Change und kommt dabei zum gleichen Ergebnis: Auch im Jahr 2020 sind die größten Auslöser Digitalisierungs-initiativen und Individualisierung der Produktpalette.
Ein weiterer großer Teil der Change-Maßnahmen besteht darin, bestehende Prozesse und Strukturen zu reorganisieren und zu optimieren.
Parallel dazu beeinflussen natürlich auch gesellschaftliche Veränderungen Unternehmen. So können beispielsweise aktuell relevante Themen wie Nachhaltigkeit oder Diversity einen internen Kulturwandel auslösen.
Für diese Studie wurden die 90 Führungskräfte der größten deutschen Unternehmen (gemessen am Umsatz) befragt. Mehr als die Hälfte schrieben neun der 14 Auslöser einen hohen oder sehr hohen Einfluss zu – und das innerhalb der darauffolgenden 24 Monaten.
Corona spielt eine wichtige Rolle beim Wandel der Unternehmen. Schaut man auf das Jahr 2021, wird schnell klar: Der Hauptauslöser für Change-Maßnahmen war die Corona Pandemie. Es ist nicht zu leugnen, dass dieser plötzliche Sondertreiber ein Schock für die gesamte Wirtschaft war.
Die Pandemie war in vielen Bereichen auch ein wichtiger Katalysator. So hat die Corona Krise gerade im Bereich Digitalisierung Change Projekte weiter befeuert oder sogar neu entfacht.
Aus der Studie von techconsult aus dem Jahr 2021 geht hervor:
Außerdem will coronabedingt jeder dritte Studienteilnehmende auch in den kommenden Jahren vermehrt in IT-Projekte investieren. Das betrifft vor allem Projekte rund um den den digitalen Arbeitsplatz und die interne Kommunikation.
WIE ERFOLGREICH SIND CHANGE-MASSNAHMEN?
70 Prozent aller Change-Maßnahmen scheitern - das liest man jedenfalls in den meisten Büchern und Artikeln. Diese Zahl macht nicht gerade Lust auf Veränderungen, im Gegenteil, sie schreckt uns ab. Doch diese Aussage ist schlicht und einfach falsch!
Der Mythos entstand 1993. Die beiden amerikanischen Autoren Hammer und Champy publizierten damals ihr Buch
„Reengineering the Corporation“ zum Thema Change. Darin schätzten sie, dass 50 bis 70 Prozent der Organisationen ihr Change Ziel nicht
erreichen.
Our unscientific estimate is that as many as 50 to 70 percent of the organisations that undertake a reengenering effort do not achieve the dramatic results they intendend.
- Hammer, M. & Champy, J. (1993)
Leider wurde diese Zahl von anderen als wissenschaftlicher Fakt übernommen. So entstand aus einem kleinen Irrtum ein grober Fehler.
Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten. Grundsätzlich gilt: Eine allgemeingültige Zahl zu nennen, ist unmöglich. Es existieren zwar viele Studien zu diesem Thema,
allerdings ist hier Vorsicht geboten. Häufig werden dafür Mitarbeitende oder Führungskräfte befragt. Die Ergebnisse sind deshalb immer auch subjektiv gefärbt. Mitarbeitende könnten zum
Beispiel dem Unternehmen negativ gesinnt sein und Führungskräfte könnten ihre Misserfolge verschleiern wollen.
Ab wann gilt außerdem ein Change Projekt als gelungen oder gescheitert? Schnell wird also klar: Die Definitionsgrenzen verschwimmen.
Objektivere Ergebnisse verspricht der Change-Readiness-Index. Er soll die Wandlungsfähigkeit der deutschen Unternehmen abbilden. Dafür werden Mitarbeitende und Führungskräfte nach Abläufen und Strukturen der links dargestellten Handlungsfelder mittels Fragekatalogen und Registern bzw. Checklisten nach ihrer Einschätzung befragt. So wird für das Unternehmen ein Wert auf einer Skala von 0 - 100 ermittelt, der in den verschiedenen Bereichen abbildet, wie "ready" das Unernehmen für einen bevorstehenden Change ist.
Der Verlauf zeigt über die Jahre leichte Schwankungen zwischen 55 und 58 Punkten. Der Umgang mit Veränderungen scheint sich bei deutschen Unternehmen also in der Mitte eingependelt zu haben.
Aber hier ist Vorsicht geboten: Es handelt sich um einen Mittelwert. Der Change-Readiness-Index für Deutschland wird aus dem Mittelwert der Ergebnisse der einzelnen Unternehmen errechnet. Dieser Wert verschleiert jedoch die enormen Schwankungen zwischen den befragten Unternehmen. Im Jahr 2019 lagen die Werte beispielsweise zwischen 18 und 90 Punkten.
Wie viele Change Projekte letztendlich scheitern, lässt sich pauschal also nicht so leicht beantworten. Was aber maßgeblich zum Scheitern oder
Gelingen beiträgt ist die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmen.
Zu diesem Thema rief mutaree gemeinsam mit dem Institut für Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen
im Jahr 2010 das große Forschungsprojekt Change-Evolution 2020 ins Leben.
Alle zwei Jahre wurden Führungskräfte und Mitarbeitende aus unterschiedlichsten Branchen zur Veränderungsfähigkeit ihres Unternehmens befragt. 2018/2019 bewerteten nur 5,3 Prozent der Befragten ihr Unternehmen als change fit. Die aktuelle Studie von 2021/2022
konnte dieses dramatische Ergebnis sogar noch einmal toppen: Lediglich 4% der Befragten bewerten ihr Unternehmen als Change-fit.
Change gelingt nur dann, wenn Mitarbeitende und Führungskräfte den anstehenden Maßnahmen gewachsen sind. Doch die Ergebnisse der Studie von Horváth & Partners aus dem Jahr 2020 bestätigen leider das Gegenteil: 92% der Unternehmen bieten keine Möglichkeiten zur Weiterbildung im Bereich des Change-Managements an.
Diese Studie wurde erstmals im Jahr 2014 durchgeführt. In der Zwischenzeit haben sich zwar mehr Change Management Teams in Unternehmen gebildet, trotzdem erhielten im Jahr 2020 nur knapp die Hälfte der Mitarbeitende gezielte Unterstützung in ihrem Arbeitsalltag. Der Appell der Studie richtete sich deshalb an die Change-Verantwortlichen, sich nicht in ihren Elfenbeinturm zurückzuziehen, sondern ihr Know-How einzusetzen, um Betroffene bestmöglich auf anstehende Veränderungsmaßnahmen vorzubereiten.
WANN SIND CHANGE-MASSNAHMEN ERFOLGREICH?
Warum manche Change-Maßnahmen zum Scheitern verurteilt sind. Wer fragt, wann Change-Maßnahmen erfolgreich sind, sollte auch fragen, wann Change-Maßnahmen einfach nicht funktionieren können. Durch Studienergebnisse lassen sich typische Fehler im Vorhinein vermeiden.
Kommunikation ist das A und O. Laut der Studie von Porsche Consulting bleibt Erfolg dann aus, wenn zu wenig oder zu spät kommuniziert wird. Für 77 Prozent der Befragten war mangelnde Transparenz die häufigste Ursache für gescheiterte Change-Maßnahmen, dicht gefolgt von mangelnder Führung mit 73 Prozent.
Change misslingt also vor allem dann, wenn zu wenig auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden geachtet wird.
In der Studienreihe Change-Evolution 2020 untersuchte mutaree gemeinsam mit dem Institut für Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen, wie transparent die Kommunikation während Change-Maßnahmen verläuft.
2010 gaben noch 67 Prozent der Befragten an, dass in ihren Unternehmen dabei offen kommuniziert wird. Im Jahr 2016 waren nur noch 44 Prozent dieser Meinung.
Kommunikation gilt als ein Schlüssel zum Erfolg. Dennoch hat sie sich im Laufe der Jahre maßgeblich
verschlechtert.
Aus vorangegangen Studien wurde deutlich, dass letztendlich der Mensch der wohl wichtigste Erfolgsfaktor für erfolgreiche Change- Maßnahmen ist. Mitarbeitende wie Führungskräfte sollten dafür über zwei Dinge verfügen: Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft. Leider hält sich besonders bei Führungskräften oft hartnäckig der Mythos, dass Mitarbeitende Veränderung pauschal ablehnen.
Aber wie veränderungsbereit sind wir wirklich? Grundsätzlich sehnen wir uns nach Veränderungen. Das bewies die große Studie der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ mit mehr als 3.000 Befragten. Durchgeführt wurde die Studie im Jahr 2016 in Kooperation mit dem Institut für angewandte Sozialforschung (ifas) und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).
Sie war der Startschuss für weitere Forschungen zur Veränderungsbereitschaft der Deutschen. Die Allianz Lebensversicherung initiierte 2017 eine Folgestudie und beauftrage damit das Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement (IZZ). 1.951 Befragte haben bewiesen, dass wir Veränderungen durchaus erfolgreich bewältigen, wir also über Veränderungsfähigkeiten verfügen. Unsere Veränderungsbereitschaft ist hingegen eher schwach ausgeprägt ist. Wir verhalten uns gegenüber Change-Maßnahmen oft passiv und reaktiv.
Das hat folgende Ursachenkette: