Spätestens mit dem Beginn der Coronapandemie ist für jedes Unternehmen das Thema Change Management unumgehbar geworden. Wer am Markt erfolgreich bleiben möchte, muss sich an ständig wechselnde Anforderungen anpassen.
Ein solcher Wandel ist immer eine große Herausforderung, und für die vom Change Betroffenen meistens anstrengend und unangenehm. Nicht selten stöhnen die Vorstände oder Geschäftsführer dann über eine passive oder resignative Grundhaltung im Unternehmen. Sie sind häufig der festen Annahme, dass die Mitarbeitenden grundsätzlich Veränderungen ablehnen.
Aber stimmt diese Annahme?
Wie veränderungsbereit Menschen wirklich sind
Klar ist: Wir leben in Zeiten des permanenten Wandels. Kein Tag vergeht ohne eine Veränderung. Das bedeutet, dass wir tagtäglich unser Denken, Fühlen und Handeln an neue Umstände anpassen, sei es beruflich oder privat. Wir bewegen wir uns in Veränderungsprozessen ganz automatisch wie Fische im Wasser.
Mehr noch: Menschen sehnen sich sogar nach Veränderung. Das bewies die große Studie der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ in Kooperation mit dem Institut für angewandte Sozialforschung (ifas) und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) aus dem Jahr 2016 mit mehr als 3.000 Befragten.
Diese Studie war der Startschuss für weitere Forschungen zur Veränderungsbereitschaft der Deutschen. Die Allianz Lebensversicherung initiierte 2017 eine Folgestudie und beauftrage damit das Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement (IZZ). 1.951 Befragte haben eindeutig bewiesen, dass unser Veränderungswille eher schwach ausgeprägt ist, wir Veränderungen aber durchaus erfolgreich bewältigen.
Wir sehen also: Der Mythos ist falsch, denn wir lehnen Veränderung nicht pauschal ab. Trotzdem verhalten wir uns oft passiv und reaktiv, wenn ein Wandel ansteht. Warum ist das so? Das kann verschiedene Gründe haben:
Grund 1: Ein negatives Zukunftsbild
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass wir uns zwar nach Veränderung sehnen, aber nicht damit rechnen, dass die erwünschten Entwicklungen eintreten. Wir malen ein eher negatives Zukunftsbild und das sorgt für eine passive Grundhaltung.
Grund 2: Unwissen
Wir verändern uns zwar täglich, sehen dabei aber unsere Veränderungsleistung nicht. Wir leiten uns aus erfolgreichen Veränderungsprozessen keine Regeln, Checklisten und Routinen ab. Außerdem sind wir uns meist nicht bewusst, welche Stärken wir in Change Situationen einsetzen. Dabei könnten wir daraus enorme Handlungssicherheit für anstehende Veränderungen ziehen.
Grund 3: Die Macht der Gewohnheit
Wir Menschen sind grundsätzlich Gewohnheitstiere. Unsere Gewohnheiten sind nützliche Alltagshelfer, denn diese automatischen Programme nehmen uns 30 bis 50 Prozent unserer täglichen Entscheidungen ab. Außerdem geben sie uns Sicherheit und steigern sogar unser Selbstwertgefühl.
Gewohnheiten zu etablieren, braucht seine Zeit, doch einmal aufgebaut sitzen sie bombenfest. Allerdings können uns solche festgefahrenen Denk- und Verhaltensmuster den Blick für mögliche Veränderungen verschleiern und uns daran hindern, Neues zu wagen
Grund 4: Angst
Die Studie zeigt außerdem, dass die radikalen und sich beschleunigenden Veränderungen unserer Zeit enorme Orientierungslosigkeit und psychischen Stress erzeugen. Im Unternehmen kann uns die Angst lähmen, Aufgaben oder Aufgabenbereiche abgeben zu müssen oder Macht und Status zu verlieren. Solche Ängste sind vollkommen natürlich und Teil unseres Überlebensinstinkts. Neues wirkt auf den ersten Blick bedrohlich. Wir können schlecht einschätzen, welche mögliche Gefahren und Unannehmlichkeiten damit verbunden sind. Abwarten und Verdrängen sind deshalb typische Schreckreaktionen.
Grund 5: Äußerer Zwang
Gerade in Unternehmen spielt der Einfluss von außen auch eine wichtige Rolle. Wir wollen nicht gegen unseren Willen verändert werden. Oft passiert es aber, dass Veränderungen absolut überraschend verkündet werden. Um einen Wandel als positiv zu bewerten, darf er nicht aufgezwungen werden. Denn wenn wir keine Gestaltungsmöglichkeiten haben und uns nicht selbstwirksam fühlen, verursacht das Passivität und Widerstand.
Grund 6: Veränderungen zu bewirken ist ein wahrer Kraftakt
Change ist immer anstrengend, selbst positiv bewertete Veränderungen wie die Geburt des eigenen Kindes. Frühere Zielvorstellungen und gewohnte Wahrheiten werden plötzlich auf den Kopf gestellt.
Wir müssen unsere gewohnten Handlungsroutinen aufgeben und uns auf noch unbekannten Wegen begeben. Anpassungen rütteln dabei an unserer Einstellung, unseren Werten und Moralvorstellungen. Schließlich muss Neues dann auch noch in den Alltag integriert und dem sozialen Umfeld vermittelt werden. All das treibt uns an unsere Belastungsgrenzen.
Grund 7: Veränderungen brauchen Zeit
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Veränderungen vor allem eines brauchen: Zeit. Die neuen Dynamiken und Zusammenhänge müssen wir erst einmal verstehen und Strategien dafür entwickeln und erproben. Die meisten unterschätzen dabei, wie lange es braucht, bis neue Veränderungsschritte im Alltag verankert sind. Veränderungen zu bewältigen, dauert im Durchschnitt bis zu zwei Jahre. Bei noch zentraleren Lebensereignissen wie Krankheit, Ruhestand oder Todesfälle sind es sogar über drei Jahre. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir uns vor einem Wandel und dem damit verbundenen Zeitaufwand scheuen.
Es werden also tiefe Widersprüche deutlich. Eigentlich sehnen wir uns nach Change. Wir sind auch veränderungsfähig, aber oft nicht veränderungsbereit. Dabei lehnen wir Veränderung nicht per se ab, aber wir handeln auch nicht proaktiv. Abwarten oder Verdrängen sind die meistgenutzten Verhaltensweisen. Wir bleiben lieber in der Komfortzone, denn das Jetzige scheint uns sicher und bewährt. Viele wünschen sich deshalb, dass einfach alles so bleibt, wie es ist. Veränderung? Nein, danke!
Die eigene Komfortzone hat ihren Namen nicht ohne Grund bekommen. Es ist der Bereich, in dem man sich auskennt, in dem Probleme und Zweifel sich in Grenzen halten, den man kontrollieren kann und den man genau deshalb nur so furchtbar ungern verlässt. Auch wenn in der Komfortzone und der aktuellen Situation nicht immer alles perfekt ist und es durchaus Dinge gibt, über die man sich ärgert oder die man loswerden möchte. Doch wie heißt es so oft: Lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück.
Veränderungen sind unser Lebenselixier. Sich verändern und wachsen zu können, ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wie unabdingbar Veränderung ist, wird uns erst in einer reizarmen und anspruchslosen Umgebung spürbar. Unterforderung und Langeweile können uns im gleichen Maße schaden wie Überforderung und Stress durch Veränderungen.
Gelungene Veränderungen hingegen lassen uns über uns hinauswachsen. Wir entwickeln neue Problemlösestrategien, entdecken unsere Stärken und trainieren unser Durchhaltevermögen. Das alles erhöht unsere Selbstwirksamkeit enorm. Es verwundert deshalb nicht, dass 86% der Befragten ihre Veränderungserfahrungen im Rückblick als positiv und stärkend bewerten.
Wir sind veränderungsfähig. Veränderungen meistern wir - intuitiv, automatisch und überwiegend unbewusst. Häufig fehlt es uns aber an Veränderungsbereitschaft. Doch daran können wir selbst etwas ändern.
Das Erfolgsgeheimnis: Wer sich mit gemeisterten Veränderungen auseinandersetzt, ist auch besser für kommende Veränderungen gewappnet. Wenn wir wissen, wie wir in Change Situationen ticken, gehen wir anstehende Veränderungen aktiv an. Es gilt, die individuellen Bewältigungsmuster zu erkennen.
Schön und gut. Aber wo nur anfangen? Ein erster Schritt ist, die eigenen Stärken genauer unter die Lupe zu nehmen. Welche meiner Stärken haben mir in vergangenen Change Situationen geholfen und wie kann ich sie zukünftig bewusst einsetzen? Wir haben es also selbst in der Hand, wie veränderungsbereit wir sind!
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