Bei jeder Stellenanzeige und in jedem Job sind heute Dutzende Kompetenzen gefordert, über die man alle verfügen sollte.
Neben fachlichen Kompetenzen soll man auch über jede Menge methodische, persönliche und soziale Kompetenzen verfügen. In vielen Unternehmen gibt es dazu umfassende Kompetenzmodelle. Sie beschreiben sehr genau, was ein Bewerber mitbringen muss und was man von den eigenen Mitarbeitern erwartet. Es gibt Unternehmen, die sogar Kompetenzkataloge mit mehr als 50 verschiedenen Kompetenzen auflisten. Ein Irrsinn, den wir in diesem Artikel genauer unter die Lupe nehmen.
Zuerst: Was ist überhaupt eine Kompetenz? Wir alle kennen das Wort Kompetenz und verwenden es im Alltag. Doch es gibt wohl kaum einen Begriff, der so oft und so unterschiedlich verwendet wird wie dieser. Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Lateinischen (competere) und bedeutet „zu etwas fähig sein“. Kompetenz umfasst letztlich das, was ein Mensch wirklich kann und weiß. Damit sind alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden gemeint, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und zur Verfügung hat.
Kompetenzen müssen also erlernt werden. Ob jemand über eine bestimmte Kompetenz verfügt, wird nur durch sein Verhalten sichtbar. Das lässt sich gut an einem Beispiel erklären: In der Schule musstest Du eine Fremdsprache lernen. Nach erfolgreichem Abschluss besitzt Du dann die Kompetenz, zum Beispiel Italienisch zu sprechen. Kompetenz ist also die Fähigkeit einer Person, eine bestimmte Aufgabe ausführen zu können. Wenn Du in deinem nächsten Italienurlaub jemanden auf Italienisch begrüßt, wendest Du Deine neu erworbene Kompetenz an. Die tatsächliche Ausführung heißt Performanz.
Die Palette an Kompetenzen ist bunt
Weit verbreitet ist die Einteilung in die vier großen Bereiche Selbstkompetenz, Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz. Doch das ist nur eine Möglichkeit, dem Dschungel an Kompetenzen Herr zu werden. In Unternehmen erstellt das Personalmanagement oft ein Kompetenzmodell, das auf das eigene Unternehmen zugeschnitten ist. Meistens sind diese akribisch ausformuliert. Bis zu 30 verschiedene Kompetenzen sind dabei keine Seltenheit, sondern Durchschnitt.
So ein unternehmensspezifisches Modell wird häufig bei der Personaleinstellung verwendet, um zu zeigen, welche Kernkompetenzen ein Bewerber mitbringen muss. Gleichzeitig wird es intern für die Beurteilung oder Weiterbildung der Mitarbeiter eingesetzt. Man versucht die Leistungen und das Verhalten des Einzelnen zu messen. Geprüft wird: In welchem Maße ist die Kompetenz schon vorhanden? Ist eine Beförderung sinnvoll oder eine Weiterbildung notwendig? Letztendlich soll mit einem Kompetenzmodell ein einheitliches, allumfassendes Wertesystem geschaffen werden. Es soll ein glasklares und objektives Instrument der Personaleinschätzung und -entwicklung sein. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es fast immer anders aus.
Die größten Schwierigkeiten beim Entwickeln und Nutzen von Kompetenzmodellen:
(1) Kompetenzmodelle sind meistens zu theoretisch und deshalb alltagsfern. Leider werden Kompetenzmodelle oft im stillen Kämmerlein entwickelt. Dadurch kann es schnell passieren, dass aufgelistete Kompetenzen nur wenig mit den tatsächlichen Aufgaben zu tun haben.
(2) Ein Kompetenzmodell zu erstellen, kostet sehr viel Zeit und damit auch Geld. Viele Faktoren müssen miteinbezogen und einzelne Begriffe diskutiert werden. Schließlich soll es bereichsübergreifend wirken und alles abdecken. So einen Aufwand können sich meist nur größere Unternehmen leisten.
(3) Kompetenzmodelle werden viel zu groß angelegt. Versucht man, die Anforderungsdimensionen aller Stellen in einem einzigen Modell zu vereinen, ist das Endergebnis leider alles andere als praxistauglich. An dieser Stelle sollte man sich fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, unterschiedliche Positionen auf diese Art miteinander zu vergleichen. Braucht die Führungskraft in der Programmentwicklung die gleichen Kompetenzen wie der Mitarbeiter in der Produktion? Ein weiteres Problem ist, dass Kompetenzen häufig zu grob definiert werden. Ein Produktionsleiter wird daran scheitern, eine IT-Abteilung erfolgreich zu führen. Die Kompetenz „Führungskraft“ scheint auf den ersten Blick klar und präzise formuliert zu sein. Allerdings müssen die Anforderungen immer im Kontext zur Arbeitsstelle betrachtet werden.
(4) Paradox dazu ist, dass Kompetenzmodelle niemals umfassend genug sein können. Egal wie bemüht man ist, ein vollständiges Kompetenzmodell zu erstellen, es können nicht alle relevanten Anforderungen abgedeckt werden. Kompetenzmodelle bleiben im Einzelfall zu undifferenziert.
(5) Der Begriff Modell an sich ist unpassend gewählt. Modelle sind dazu da, komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen. Die meisten „Kompetenzmodelle“ sind keine wirklichen Modelle, sondern Listen oder sogar ganze Kataloge.
(6) Kompetenzmodelle sind schnell veraltet. Unternehmen sehen sich immer schnelleren Veränderungen gegenüber. Sie müssen auf die Megatrends unserer Zeit und dem damit einhergehenden digitalen Wandel reagieren. Ein komplexes Kompetenzmodell ist dann zu schwerfällig, um es kontinuierlich anzupassen. Bis die Änderungen durchgesetzt sind, haben sich schon wieder neue ergeben. Oft reicht es auch nicht aus, sie an die neuen Anforderungen anzugleichen. Neue Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle erfordern komplett neue Modelle. In einer agilen, dynamischen Arbeitswelt sind sie also eher Auslaufmodelle.
(7) Kompetenzmodelle ersticken Spontanität und Bauchgefühl. Bei Bewerbungs- oder Mitarbeitergesprächen sind wir damit beschäftigt, die lange Liste der Anforderungen durchzugehen. Kompetenzen, die nicht auf der Liste stehen, aber durchaus relevant sein könnten, bleiben ungesehen.
(8) Kompetenzmodelle setzen uns unter Druck. Sie bedienen meist ein breites Spektrum an Kompetenzen und suggerieren uns damit, dass wir in allen Bereichen sehr gut sein müssen.
(9) Kompetenzmodelle sind zahlen- und nicht menschenorientiert. Kompetenzmodelle werden erstellt, um die Effizienz der Unternehmen zu steigern. Sie sind deshalb noch kein Teufelszeug. Aber sie werden zu einem, wenn es nur dazu dient, Fähigkeiten in Daten umwandeln. Dann liegt der Fokus nicht mehr auf dem einzelnen Mitarbeiter, sondern auf dem Unternehmenserfolg. Modelle dienen nur noch dazu, Daten nutzbar und Mitarbeiter messbar zu machen.
Was ist die Alternative?
Kompetenzmodelle sagen nichts über den langfristigen Erfolg von Unternehmen aus. Die größten Erfolgschancen für Mitarbeiter und Unternehmen bietet der Fokus auf die individuellen Stärken! Erfolgreich sind Unternehmen dann, wenn sie ihre Mitarbeiter aufgrund ihrer Talente und Stärken auswählen und in diesen Bereichen fördern.
Mitarbeiter, die ihre Stärken kennen und nutzen, sind engagierter, erbringen bessere Leistungen und verlassen ihr Unternehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit. Das konnte das amerikanische Unternehmen Gallup in ihrer Studie bereits 2009 nachweisen. Sie befragten dazu über 1000 Mitarbeiter.
FAZIT: Sowohl für das Unternehmen als auch seine Mitarbeiter ist es wesentlich gewinnbringender, auf individuelle Stärken als allgemeine Kompetenzen zu setzen!
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